Interview, Bewohnerinnen WG Berscheba
Wie waren deine ersten Eindrücke?
....Ich habe schnell gemerkt, dass es sehr persönlich ist und wohnlich eingerichtet. Ich habe gesehen, da steht eine Gitarre in der Ecke und es gab so einen schönen großen Holztisch im Gruppenraum.
.....In meinem Vorstellungsgespräch vor der Aufnahme haben die Sozialpädagoginnen erzählt, dass abends etwas gefeiert wird mit der Gruppe, und dass es Mangocreme gibt... Und irgendwie hab ich mir dann vorgestellt, wie alle abends da sitzen und da habe ich gemerkt, ich will auch abends hier sitzen und Mangocreme essen. Ich will hier auch dazugehören.
......Meine ersten Eindrücke waren überraschend gut. Dort war eine warme, herzliche Atmosphäre und die Sozialpädagoginnen fand ich sehr verständnisvoll.
Welche Hoffnungen hattest du bei deinem Einzug?
......Dass ich ein Zuhause habe. Dass ich wo ankommen kann und nicht mal hier und mal dort wohne, sondern, dass ich endlich mal Leute um mich habe, die mich kennen, denen ich etwas anvertrauen kann....
.....Also, ich glaube, ich hatte die Hoffnung, erst mal vom alten Umfeld loszukommen und an einem Ort komplett neu zu starten, wo man keinen kennt. Zeit haben, sich ein bisschen um sich selbst zu kümmern... und irgendwie so langsam in ein geregeltes Leben reinzukommen.
....wieder Hoffnung, Sinn und Ziele für mein Leben zu finden, eine Heimat zu finden, wo man sein kann, wie man ist...das habe ich mir gewünscht.
Hattest du auch vor etwas Angst?
Vieles ist mir durch den Kopf gegangen... Werden mich die anderen Bewohnerinnen mögen? Werde ich einen Platz in der Gemeinschaft finden? Komme ich mit den Betreuerinnen zurecht?
Ich hatte Angst, dass ich das ganze Alte, Schwierige mit hier reinbringe wie einen bösen Geist... und dass ich mich nicht einlassen kann, dass dann alles den Bach runtergeht.
Was hat dir gutgetan beim Ankommen?
.....Ich weiß noch, dass die ersten Tage richtig schlimm waren. Aber das Essen an meinem ersten Tag hab ich noch in Erinnerung... weil ich es total schön fand, dass sich jemand Gedanken gemacht hat, dass ich neu bin und extra ein leckeres Essen gemacht hat... und dass es auch noch Nachtisch gab. Es sind oft so Kleinigkeiten, die sind so wichtig.
.....Ich fand es gut, dass so viele Menschen hier sind, weil man sich dann automatisch ein bisschen rein integriert... war aber auch anstrengend am Anfang... so viele Leute.
.....Durch den netten Empfang der Betreuerinnen hab' ich mich willkommen gefühlt. Und es war schön, dass eine Blume und eine Karte für mich dastanden, als ich in mein Zimmer kam.
Was war am Anfang schwierig für dich?
......Es ist mir schwergefallen, zu vertrauen, ich hatte oft Angst. Und es hat mich überfordert, mich an feste Termine halten zu müssen. Das hat mir anfangs viel Stress gemacht.
......Dass man auf einmal auf was hören muss, sich unterordnen, dass jemand andere Regeln vorgibt und feste Termine, davon war ich am Anfang total genervt. Oft hatte ich überhaupt keine Lust, zu den Gruppenaktivitäten zu kommen und habe lange Zeit gebraucht, bis ich die anderen in der Gruppe besser kennengelernt habe und das Zusammensein nicht mehr so anstrengend für mich war.
......Dass die Betreuerinnen hier nicht nur oberflächlich mit mir geredet, sondern auch nachgebohrt haben. Das war am Anfang ganz schwierig für mich. Und wenn ich in mein Zimmer gegangen bin, dann haben sie immer wieder nach mir geguckt und mich nicht einfach in Ruhe gelassen. Die wollten so viel von mir sehen... da war ich erstmal sehr misstrauisch. Am Anfang war das fast bedrohlich für mich, obwohl ich jetzt im Nachhinein froh bin, dass jemand nach mir geschaut hat.
Was hat dir besonders gut gefallen?
......Dass es extra für mich einen Begrüßungsgruppenabend gab und sonntags extra eine Stadtführung – nur für mich.
.....Dass eine Mitbewohnerin, die mich ja noch gar nicht kannte, mir geholfen hat, bei meiner Ankunft meine Kisten hochzutragen. Das hat mich erstaunt und gefreut!
Wie war es für dich, plötzlich mit so vielen anderen Frauen zusammenzuleben?
.....Ich habe das positiv erlebt, da man sich weniger alleine fühlt und vieles mit anderen teilen und erleben kann.
.....Manchmal finde ich es total anstrengend, mit so vielen Leuten zusammenzuwohnen. Bevor ich hier eingezogen bin, da habe ich die ganze Zeit gemacht, was ich wollte. Das war auch nicht gut, weil ich vieles nicht alleine hingekriegt habe. Hier gibt es auf einmal feste Aufgaben, die ich machen muss. Termine, an denen ich da sein muss, und ich muss auf viele andere Menschen Rücksicht nehmen. Das finde ich manchmal total nervig, aber dann ist es auch wieder gut und gibt mir Halt, dass da noch andere sind, und dass es hier Regeln gibt.
.....Ich bin froh, hier mit anderen Frauen zu leben, die auch Schwierigkeiten haben. Da habe ich das Gefühl, ich kann vielleicht ein bisschen meinen Panzer ablegen und so sein wie ich bin, weil die anderen Verständnis haben, wenn ich auch mal komisch bin.
Was bedeutet Berscheba jetzt für dich?
.....Ein Ort, an dem man sein kann, wie man ist. Ein Ort, an dem Hoffnungen entstehen können und das Gefühl, sich auf Menschen verlassen zu können. Sicherheit und das Gefühl, verstanden zu werden. Gemeinsam durch schwere Zeiten gehen und sich an Erfolgen erfreuen.
.....Endlich einen festen Wohnort haben, der auch ein bisschen Zuhause für mich ist... eine große Familie irgendwie... das ist Berscheba für mich.
.....Einerseits könnte ich mir gar nicht vorstellen, nicht hier zu sein.... und gleichzeitig bin ich halt auch wütend. Ich habe fast immer eine leichte Wut, weil mir hier Menschen nah kommen. Und dann fange ich an, den Schmerz mehr zu spüren und bekomme Angst vor dieser Nähe. Das sind immer so zwei Seiten. Hier in Berscheba zu sein, das ist für mich wie mit einem guten Freund, den man am Anfang würgen könnte, aber den man eigentlich doch mag und braucht.
Bewohnerinnen Betreutes Wohnen - Frauenzimmer beim Gespräch
Warum die "Frauenzimmer" mir gut tun...
....In den Frauenzimmern bin ich nicht alleine. Damit meine ich meine Mitbewohnerinnen, die regelmäßigen Kontakte zu den Sozialpädagoginnen, als auch die Gewissheit, dass die Betreuerinnen der Wohngemeinschaft Berscheba im Notfall da sind.
.....Es tut mir gut, in diesem behüteten und vertrauten Rahmen immer selbstständiger zu werden. Ich genieße die wöchentlichen Kochabende und das Beisammensein in der WG. Die Ausflüge und Angebote am Wochenende machen mir Freude und ich bin deswegen hin und wieder dabei. Vor allem, wenn es mir schlechter geht, ist es gut, dass ich das Angebot in der Wohngemeinschaft Berscheba nutzen kann.
.....Im Betreuten Wohnen erlebe ich Geborgenheit und fühle mich willkommen. In den Frauenzimmern habe ich endlich das Gefühl, zu Hause zu sein, endlich anzukommen, da ein langfristiger Aufenthalt dort möglich ist.
Was ist für mich schwierig im Betreuten Wohnen....
Am Anfang war die Umstellung von der engmaschigen Betreuung im stationären Bereich zum Wohnen im Frauenzimmer eine große Herausforderung für mich. Die Selbstständigkeit im Alltag und in der Lebensgestaltung forderte mir anfänglich viel Kraft ab. Plötzlich muss ich mich alleine um mich selbst kümmern, meinen Alltag, meine Urlaube und meine Freizeitaktivitäten planen und gestalten.
....Der Rückzug in Krisen ist einfacher, aber auch gefährlicher geworden. Jetzt muss ich mich selber motivieren und antreiben, was nicht immer einfach ist. Dass ich trotz dieser Anstrengung eine Konstanz in meinem Leben erreicht habe, verdanke ich der Tatsache, dass ich die Herausforderung in die Frauenzimmer einzuziehen angenommen und gut gemeistert habe.
Seitdem ich hier eingezogen bin, hat mein Leben an Stabilität gewonnen. Ich habe Menschen um mich, die ich mag und schätze. Meinen Alltag kann ich heute selbstständiger strukturieren und ich weiß besser, was mir guttut.
....Durch den Umzug in das Betreute Wohnen habe ich mehr Verantwortung und ich muss für vieles mehr kämpfen. Doch trotz der weniger intensiven Betreuung konnte ich meine Lebensqualität aufrechterhalten und meinen Alltag sowie meinen beruflichen Werdegang stabilisieren oder sogar verbessern. Darauf bin ich mittlerweile sehr stolz. Das vergesse ich nur manchmal, weil es schon so selbstverständlich geworden ist.